Atomare Abschreckung ist keine wirksame Strategie
02. Apr 2012
Atomare Abschreckung ist keine wirksame Strategie, um zukünftigen Sicherheitsbedrohungen entgegen zu treten
Paris, 16. bis 17. März 2012
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Wir nähern uns dem Anfang einer neuen Überprüfungsrunde der Verhandlungen über einen Vertrag zur Nicht-Weiterverbreitung von Atomwaffen (NPT) und wir sind enttäuscht über Regierungen, die immer noch auf Atomwaffen als Eckstein ihrer Sicherheitsstrategien bauen mit dem Risiko, anderen nahe zu bringen, dass sie für sich eine nationale Sicherheitslücke erkennen und diese mit Atomwaffen zu füllen versuchen. Führer der NATO im besonderen haben es versäumt, die Gelegenheit zur Überarbeitung des strategischen Konzepts der NATO 2010 wahrzunehmen, durch die Frankreich, die USA und das UK aufgefordert würden, ihre Verpflichtungen zur NPT einzuhalten weiterhin die Rolle und Bedeutung von Atomwaffen in allen militärischen und Sicherheitskonzepten, Doktrinen und der Politik zu verringern (2). Stattdessen verpflichtete sich die NATO, eine nukleare Allianz (3) zu bleiben, so lange Atomwaffen existieren. Die NATO hat eine Gelegenheit, ihrer Verpflichtung zur Abrüstung nachzukommen, indem sie plant, die US-Atomwaffen aus Europa in der Vorbereitung zum NATO- Chicago-Gipfel abzuziehen.
Die NATO macht zurzeit eine Bestandsaufnahme von Verteidigungs- und Abschreckungswaffen, worin die Allianz die geeignete Mischung von Waffen definiert, die sie für die Bedrohungen des 21. Jahrhunderts braucht. Bei der Prüfung der Rolle der Atomwaffen, konventionellen Waffen und Raketen zur Verteidigung schließt die Bestandsaufnahme noch ein viertes Element ein: atomare Abrüstung. Die NATO hat die Chance, die Gelegenheit zu ergreifen, die sie 2010 versäumt hat, indem sie wählt, die Waffen der USA von europäischer Erde als eine erste vertrauensbildende und Sicherheit gewährende Maßnahme wegzuräumen. Das würde der Russischen Föderation ein positives Signal senden, und sie dadurch auch ermutigen, alle ihre taktischen Waffen zentral zu lagern, außerhalb des europäischen Kontinents. Unsere katholische Tradition erkennt, dass atomare Abschreckung eine unwirksame Strategie ist, um zukünftigen Sicherheitsbedrohungen entgegen zu treten, und wir suchen nach einem Abrücken von undefinierten Bedrohungen.
Der Heilige Stuhl drückte dieses in eindeutigen Aussagen bei der Bestandsaufnahme-Konferenz für den Nicht-Weiterverbreitungs-Vertrag 2005 aus: Wenn der Heilige Stuhl seine beschränkte Akzeptanz von atomarer Abschreckung während des Kalten Krieges ausdrückte, so geschah dies mit der klar definierten Bedingung, dass Abschreckung nur ein Schritt auf dem Wege in Richtung zu einer fortschreitenden nuklearen Abrüstung gewesen sei. Der Heilige Stuhl hat niemals zu atomarer Abschreckung als ständiger Maßnahme zugestimmt, auch heute nicht, wo klar erkennbar ist, dass atomare Abschreckung die Entwicklung von immer verbesserten Atomwaffen antreibt, und damit echte atomare Abrüstung verhindert.
Den Sicherheits-Herausforderungen des 21. Jahrhunderts kann mit Atomwaffen nicht beigekommen werden. Europa braucht eine atomwaffen-freie Sicherheitsarchitektur beginnend mit dem totalen Wegbringen aller taktischen Atomwaffen aus Europa. Das bezieht sich sowohl auf die taktischen Atomwaffen der USA, die in Belgien, Deutschland, Italien, den Niederlanden und der Türkei stationiert sind wie auch den russischen taktischen Atomwaffen!
Weiterhin Vertrauen zu Atomwaffen für die Sicherheit des Landes zu haben, wie dies bei USA, UK und Frankreich der Fall ist, sendet eine Botschaft an andere, dass sogar die größten Militärmächte mit der am meisten fortgeschrittenen Militärtechnologie Atomwaffen brauchen, um sich sicher zu fühlen. Seine Eminenz, Msgr Celestino Migliore, der Ständige Beobachter des Heiligen Stuhls bei den UN in New York, brachte mit seiner Stellungnahme bei der 2010 Review Conference sein Gefühl zu Ausdruck, als er sagte: So lange Atomwaffen vorhanden sind, werden sie ihre Verbreitung erlauben und sogar dazu ermutigen und Die militärische Doktrin, die weiterhin auf Atomwaffen als Sicherheitsmaßnahme und Verteidigung oder sogar als Maß ihrer Macht vertrauen, verlangsamen de facto die nukleare Abrüstung und den Nicht-Verbreitungs-Prozeß. (4)
Wenn die Besitzer von Atomwaffen Millionen ausgeben für die Modernisierung und Wartung ihres Atomarsenals, senden sie damit die Botschaft an Staaten, die keine Atomwaffen besitzen, dass Atomwaffen notwendig sind für ihre Sicherheit. Der rhetorische Ruf nach einer Welt ohne Atomwaffen ist nicht genug, und Aktionen müssen gesetzt werden, die ihre Verpflichtung demonstrieren, eine solche Welt zu schaffen.
Der weiterführende Zyklus von NPT ist eine perfekte Chance für Staaten, Bericht zu legen von den Aktionen, die sie durchgeführt haben, um eine sichere , atomwaffen-freie Welt zu schaffen. Es ist unaufrichtig zu denken, dass der weiterführende Besitz von Atomwaffen keinen Zusammenhang hat zum potentiellen Trachten nach Atomwaffen durch andere Staaten. Die Kernspaltung kann nicht mehr in kleinen Schritten gemildert werden. Jetzt ist es Zeit für die Staaten, die Atomwaffen besitzen, durch eine großartige Geste das große Geschäft wieder in Gang zu bringen, das in den atomaren Nicht-Verbreitungsvertrag (NPT) eingebettet ist. Jetzt ist es Zeit für eine wirklich nicht umdrehbare, verwirklichbare und multilaterale nukleare Abrüstung.
Über Pax Christi International
Pax Christi International wurde 1945 als Organisation der Katholiken Europas aus der Taufe gehoben, um die Versöhnung am Ende des Zweiten Weltkriegs voran zu bringen. Pax Christi ist verpflichtet auf Gewaltlosigkeit und zur Demilitarisierung und Abrüstung, menschlicher Sicherheit, Menschenrechten und die Rolle des Gesetzes als Basis friedlicher Gesellschaften. Als eine Bewegung und ein globales Netzwerk (mehr als 100 Mitgliedsorganisationen sind weltweit aktiv), bringt Pax Christi International Leute mit sehr unterschiedlichem Hintergrund und Kulturen zusammen, die ihre gleiche Vision von Frieden, Versöhnung und Gerechtigkeit für alle formen und darauf hinarbeiten. Über Jahrzehnte hat Pax Christi International reflektiert über den überwältigenden Wunsch von Katholiken und Laien rund um die Welt, die atomare Bewaffnung zu beenden. Pax Christi International hat zahllose Stellungnahmen herausgebracht und zahlreiche Konferenzen abgehalten, und engagiert sich nach wie vor mit seinen Mitgliedsorganisationen, Abrüstung, Dialog und Frieden voran zu treiben.
(1) Stellungnahme von Pax Christi International anlässlich des Colloquium Le Désarmement nucléaire demain? organisiert durch das Institut Catholique de Paris, Justitia & Pax und Pax Christi France, Paris, 16. März 2012 (2) NPT/COnf.201 (Band 1,) heruntergeholt von http://www.reachingcriticalwill.org/legal/npt/revcon2010/FinalDocument.pdf (3) 2010 NATO Strategisches Konzept, heruntergeholt von http://www.nato.int/lisbon2010/strategic-concept-2010-eng.pdf (4) http://www.vatican.va/roman_curia/secretariat_state/2010/documents/rc_seg-st_20100506_nuclear-weapons_en.html
(Übers.: Gerhilde Merz)
2012-0068-de-gl-SD
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